„Ich und mein Vater haben vor 1 Jahr einen Vorsorgeauftrag abgeschlossen. Darin werde ich im Falle der Urteilsunfähigkeit meines Vaters beauftragt, die Personen- und Vermögenssorge sowie die Vertretung im Rechtsverkehr meines Vaters zu übernehmen. Dieser Fall ist nun eingetreten, meine Mutter ist gestorben und mein Vater im Pflegeheim. Ich möchte nun die Erbschaft im Namen meines Vaters ausschlagen und das Vermögen meines Vaters verschenken. Kann ich das?“

 

Die Personenvorsorge umfasst die Fürsorge in persönlichen Angelegenheiten, und damit auch die Annahme und Ausschlagung von Erbschaften. Damit ist der Beauftragte also grundsätzlich befugt, die Erbschaft für den Auftraggeber auszuschlagen. Beachtet werden muss aber, dass diese Erklärung von Gesetzes wegen der Zustimmung durch die Erwachsenenschutzbehörde bedarf.

 

Ähnliches gilt bei der Vornahme von Schenkungen. Gemäss dem schweizerischen Obligationenrecht, der aus dem Vermögen eines Handlungsunfähigen nur die Ausrichtung von Gelegenheitsgeschenken zulässt, ist die Vornahme von Schenkungen als Vorsorgebeauftragter grundsätzlich nicht möglich. Auch hier müsste die Erwachsenenschutzbehörde dem Rechtsgeschäft zustimmen. Von dieser Regel dürfte es jedoch zwei Ausnahmen geben.

 

Die erste Ausnahme betrifft den Fall von Gelegenheitsgeschenken. Der Vorsorgebeauftragte ist befugt, sogenannte Gelegenheitsgeschenke auszurichten. Gelegenheitsgeschenke sind Geschenke von geringem Wert, wobei die finanziellen Verhältnisse des Schenkers zu berücksichtigen sind. Die Gerichtspraxis geht davon aus, dass Geschenke von ca. 1% des Vermögens des Schenkers als Gelegenheitsgeschenke gelten.

 

Die zweite Ausnahme betrifft den Fall, in welchem im Vorsorgeauftrag die vorzunehmende Schenkung präzis in ihrem Umfang und die Person des Beschenkten verzeichnet ist. Auf diese Weise wäre von einer Zustimmung durch den mittlerweile handlungsunfähigen Vater auszugehen. Angesichts der mitunter langen Gültigkeitsdauer von Vorsorgeaufträgen und der nur bedingten Anpassungsfähigkeit einmal erteilter Weisungen sind die Vorsorgeaufträge allerdings meistens so abgefasst, dass sie dem Vorsorgebeauftragten die erforderliche Handlungsfreiheit belassen. Dies, um auf Veränderungen der Lebensbedürfnisse und wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers angemessen reagieren zu können.

 

Insgesamt empfiehlt es sich daher, sich bei der Abfassung eines Vorsorgeauftrages rechtlich beraten zu lassen. Die Standard-Muster aus dem Internet sind zwar einfach erhältlich, auf die konkreten Bedürfnisse jedoch nicht ausgerichtet.

 

Florian Weishaupt, Rechtsanwalt und Notar

Küng Rechtsanwälte & Notare AG, Gossau

www.kuenglaw-sg.ch