„Einer meiner Aussendienstmitarbeiter hat gekündigt und wird eine neue Stelle bei einem Konkurrenten antreten. Nun versucht er, Teile unserer Kundschaft abzuwerben und für seinen neuen Arbeitgeber zu gewinnen. Wie kann ich mich wehren?“
Während der Dauer eines Arbeitsverhältnisses untersteht der Arbeitnehmer einer Treuepflicht, nach welcher er alles zu unterlassen hat, was den Arbeitgeber schädigen könnte. Dazu gehören auch Abwerbehandlungen, sei es hinsichtlich von Kunden oder auch Mitarbeitern. Fraglich ist jedoch, wann von „Abwerbung“ gesprochen werden kann. Das neutrale Informieren der Kundschaft über den Austritt fällt noch nicht darunter, solange sich der Arbeitnehmer auf die eigenen Kunden beschränkt und nicht wahllos und systematisch alle Kunden des bisherigen Arbeitgebers kontaktiert. Problematisch wird das Verhalten des Arbeitnehmers dort, wo dieses direkt darauf abzielt, den Kunden für sich selber oder zu Gunsten des neuen Arbeitgebers zu gewinnen. Darunter kann bereits die Nennung des neuen Arbeitgebers fallen. Ebenfalls unzulässig ist die Mitnahme von Kundenlisten des ehemaligen Arbeitgebers.
Spürbar schwächer wird der Schutz gegen solche Verhaltensweisen des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Zwar existiert eine nachvertragliche Geheimhaltungspflicht gegenüber Dritten für schützenswerte Daten des ehemaligen Arbeitgebers. Diese Geheimhaltungspflicht greift wohl aber bereits dann nicht mehr, wenn nicht ein Wechsel des Arbeitgebers zur Diskussion steht, sondern der Arbeitnehmer sich selbständig macht und er die Kundendaten dadurch selber verwertet. Wenn die Offenbarung von Kenntnissen des Arbeitsnehmers über Kunden des früheren Arbeitgebers an Dritte in Frage steht, ist jeweils anhand der konkreten Interessenlage zu prüfen, inwieweit sich ein Mitteilungsverbot rechtfertigt. Je nach Konstellation können aber immerhin auch Straftatbestände erfüllt sein. Den besten Schutz gegen Abwerbungsversuche durch ehemalige Mitarbeiter bieten über das Arbeitsvertragsende hinaus geltende vertragliche Vereinbarungen. So ist es bei Bestehen dieser Gefahr aus Sicht des Arbeitgebers äusserst sinnvoll, über ein schriftliches nachvertragliches Konkurrenzverbot, ein Abwerbeverbot oder eine vertragliche Erweiterung der nachvertraglichen Geheimhaltungspflicht nachzudenken.
Marcel Aebischer, Rechtsanwalt & Notar
Küng Rechtsanwälte & Notare AG, Gossau
www.kuenglaw-sg.ch
23. April 2018 / Marcel Aebischer